feministische Kommunalpolitik

Feministische Kommunalpolitik für Offenbach

Frauen, Lesben, inter-, nichtbinäre, trans- und agender Personen (FLINTA*[1]) werden in unserer Gesellschaft noch immer aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, diskriminiert und unsichtbar gemacht. Sie sind häufiger von Armut betroffen, erfahren häufiger Gewalt, übernehmen deutlich mehr Sorgearbeit und sind in der Politik weniger vertreten. Dadurch werden die Belange von FLINTA* in der Politik auch weniger berücksichtigt oder sogar unter den Teppich gekehrt. Auch in Offenbach wird Politik über die Köpfe von FLINTA* hinweg gemacht.

Für uns Linke bedeutet das, dass wir Kommunalpolitik grundlegend feministisch gestalten und aus der Perspektive von FLINTA* denken müssen. Denn feministische Kommunalpolitik ist ein Querschnittsthema, das viele verschiedene Bereiche berührt: Stadtplanung, Mobilität, Sorgearbeit, sozialer Wohnraum, Gewaltschutz, Gesundheit und Verwaltung. Offenbach muss deshalb kommunalpolitische Beschlüsse auf eine Gleichstellungsperspektive für FLINTA* prüfen und im Haushalt Gelder für feministische Politik gerecht einplanen. Das Frauenbüro der Stadt soll finanziell und personell besser ausgestattet werden, um Gleichstellung in der Kommunalpolitik noch stärker zu verankern.

So wurde in der Vergangenheit die Stadtplanung eher an der Idee eines männlichen Bürgers orientiert: erwerbstätig, Autofahrer, unterwegs zwischen Arbeit und Wohnung. Diese Art der Stadtplanung vernachlässigt die Realität von FLINTA*, die für einen Großteil der Sorgearbeit, wie das Kindergroßziehen oder die Pflege von Angehörigen verantwortlich sind. Wer Sorgearbeit übernimmt, braucht eine wohnortnahe Infrastruktur – das heißt Kindergarten, Spielplatz, Supermarkt, Pflegeeinrichtung oder Ärzt*in müssen schnell erreichbar sein. Diese vielen, idealerweise kurzen Wege sollten alle gut zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV zurückgelegt werden können. Dafür braucht es gut ausgebaute Fahrradwege, barrierefreie Gehwege für Kinderwagen, Rollstühle und Gehhilfen genauso wie ein günstiges und attraktives ÖPNV-Angebot.

Die Stadtplanung muss außerdem ein Augenmerk auf öffentliche Plätze und gut beschattete und ausgestattete Spielplätze legen, auf denen es viele Sitzgelegenheiten und Zugang zu kostenlosen öffentlichen und barrierefreien Toiletten gibt, wo Menschen ungeachtet des Geschlechts Kinder wickeln können.

Gleichzeitig darf Sorgearbeit nicht als private Aufgabe auf FLINTA* abgeladen und damit unsichtbar gemacht werden. Kommunen müssen die gesellschaftliche Bedeutung von Sorgearbeit anerkennen, als öffentliche Aufgabe begreifen und aktiv politisch gestalten. Dazu gehört die flächendeckende kostenlose Kinderbetreuung mit flexiblen Betreuungszeiten für Menschen, die zu atypischen Arbeitszeiten arbeiten und ein konsequentes Ganztagsangebot an Schulen. Ebenso muss die Pflege von Angehörigen kommunal gestützt werden.

Der fehlende bezahlbare Wohnraum trifft FLINTA* besonders hart. Sei es, weil sie häufiger von Armut betroffen sind oder weil sie häufiger Opfer von häuslicher Gewalt werden – der überhitzte Wohnungsmarkt sorgt dafür, dass sie keine Wohnung finden, auch wenn sie dringend eine benötigen. Die Linke will deshalb, dass Beratungsangebote für Betroffene häuslicher und queerfeindlicher Gewalt ausgebaut und Plätze in Gewaltschutzhäusern erweitert werden.

Die Istanbul-Konvention beschreibt ausführlich und konkret, welche Maßnahmen notwendig sind, um Frauen und Kinder vor Gewalt zu schützen. Wir setzen uns für ihre vollständige Umsetzung auf kommunaler Ebene ein. Betroffene haben ein Recht auf Beratung in psychologischer, rechtlicher und finanzieller Hinsicht. Körperliche, psychische und sexualisierte Gewalt dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Bis es so weit ist, brauchen wir gut finanzierte Frauenhäuser. Es darf nicht sein, dass FLINTA* in Not wegen ungeklärter Finanzierung oder fehlender Plätze abgewiesen werden. Deshalb muss nicht nur die Anzahl der Plätze im Offenbacher Frauen- und Kinderhaus aufgestockt werden – wir brauchen auch weitere Zufluchtsstätten, um allen Betroffenen einen sicheren Ausweg anbieten zu können. Die Bewohner*innen des Frauen- und Kinderhauses müssen dabei unterstützt werden, das Erlebte zu verarbeiten und sich ein neues Leben aufzubauen. Das Frauen- und Kinderhaus sollte daher mehr Stellen finanziert bekommen.

Zudem muss in der Stadt Offenbach eine Beratungsstelle für Betroffene aller Gewaltformen eingerichtet werden. Zum Alltag von MLINTA*-Jugendlichen[2] und FLINTA*-Personen im öffentlichen Raum gehören Catcalling, Anrempeln bis hin zu sexuellen Übergriffen. Zur nachhaltigen Änderung der gesellschaftlichen Haltung, braucht es ein umfassendes, strukturell verankertes Präventions- und Bildungsprogramm, das von früher Kindheit an den respektvollen, gewaltfreien und gleichberechtigten Umgang mit MLINTA*-Jugendlichen und FLINTA*-Personen vermittelt.

Es gilt, Geschlechtergerechtigkeit zu fördern und gleichzeitig allen Kindern und Jugendlichen sichere Räume und gleiche Teilhabechancen zu ermöglichen. Dafür braucht es gut finanzierte, geschulte Fachkräfte sowie feste Schutz- und Beschwerdestrukturen in allen Bildungs- und Betreuungseinrichtungen.

Auch gesundheitspolitisch muss sich Offenbach besser aufstellen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Kommune zur Entstigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen beiträgt. Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen und Beratungsstellen sollen besser zugänglich sein, etwa über die Homepage der Stadt oder in kommunalen Einrichtungen wie Jugendzentren. Dabei soll für Betroffene transparent aufgezeigt werden, welche Ärzt*innen in Offenbach Schwangerschaftsabbrüche durchführen und wie der rechtliche sowie finanzielle Ablauf gestaltet ist. Besonders wichtig ist es, die Beratungsstellen zu unterstützen und sicherzustellen, dass Berater*innen und FLINTA* vor Übergriffen geschützt werden. Zudem müssen Menstruationsprodukte wie Seife oder Toilettenpapier als allgemeine Hygieneprodukte begriffen und in allen öffentlichen Gebäuden und städtischen Einrichtungen kostenlos bereitgestellt werden. Dasselbe gilt auch für Verhütungsmittel.

Neben diesen Maßnahmen bleibt eine weitere Sache zentral: Wir brauchen mehr FLINTA* in der Kommunalpolitik und in der Verwaltung. Die jetzigen Strukturen schließen FLINTA* aus oder erschweren ihnen die aktive Teilhabe. Deswegen setzen wir uns dafür ein, dass alle politischen Ämter und Mandate verpflichtend mit einer Quote von mindestens 50% mit FLINTA* besetzt werden, damit dies zu einem Umdenken in der Politik und Verwaltung führt. Sorgeverantwortung von Mandatsträger*innen müssen berücksichtigt werden, zum Beispiel indem man Kinderbetreuung während kommunalpolitischer Sitzungen ermöglicht.

Unsere Vision ist, Offenbach konsequent feministisch zu gestalten – und zwar nicht als Nischenthema, sondern als grundlegende Perspektive auf Politik.

Die Linke fordert:

  • feministische Kommunalpolitik als Querschnittsthema zu etablieren und hierfür bei allen Beschlüssen, Gleichstellungsperspektiven zu berücksichtigen.
  • die Vollständige Umsetzung der Maßnahmen der Istanbul-Konvention auf kommunaler Ebene.
  • Flächendeckende kostenlose Kinderbetreuung und kommunale Unterstützung der Pflegearbeit für Angehörige.
  • die Einrichtung einer Beratungsstelle für Betroffene aller Formen von Gewalt.
  • ein weiteres Gewaltschutzhaus in Offenbach und die Förderung von Gewaltpräventionsprojekten.
  • Mehr Fachpersonal und mehr Plätze für das Frauen- und Kinderhaus.
  • ein Präventions- und Bildungsprogramm zur Förderung von Geschlechtergerechtigkeit in allen Bildungs- und Betreuungseinrichtungen mit entsprechender finanzieller und personeller Ausstattung.
  • Kostenlose Menstruationsprodukte in allen öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen.
  • Kommunale Maßnahmen zur Entstigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und vereinfachten Zugang zu Informationen.
  • eine Quote von mindestens 50% für FLINTA* bei politischen Ämtern und Mandaten.
  • eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung des Frauenbüros.

[1] FLINTA* (Frauen, Lesben, inter, nichtbinäre, trans, agender Menschen) ist ein Akronym und Sammelbegriff für Menschen, die aufgrund ihres Geschlechts im patriarchalen System diskriminiert werden. Der Begriff drückt zudem eine Solidarität unterschiedlicher feministischer Kämpfe und Identitäten aus. Das Sternchen ist ein Platzhalter für jene Personen, die sich in den Buchstaben des Akronyms nicht wiederfinden aber auch von Marginalisierung aufgrund von Geschlecht betroffen sind.

[2] Mädchen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, transgeschlechtliche und agender Jugendliche. Weitere Details siehe Definition FLINTA*.